Tobias Pietsch

Tobias Pietsch

Tobias ist sicher den meisten aus der Szene, neben seinem Engagement für die Legalisierung, auch durch seine Hanfnah – Läden, ein Begriff.

https://www.hanfnah.de

An drei Standorten verkauft der 35 jährige Lahrer mittlerweile alles, was das Hanfherz begehrt und bekam dafür Anfang 2019 den Lahrer Gründerpreis für Innovation, Nachhaltigkeit, Nutzen und den Einsatz moderner Technologien.

Umso trauriger und unverständlicher ist es, dass er sich dafür ab dem 5. Mai 2020 vor Gericht verantworten muss. Ihm wird „gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln“ zur Last gelegt, was, genau wie bei allen anderen laufenden „CBD Verfahren“ nur als blanker Hohn bezeichnet werden kann.

Tobias engagiert sich auf verschiedenste Weise für eine Änderung unserer Drogenpolitik, u.A. ist er Mitglied der frisch gegründeten DHV Ortsgruppe Ortenau, er ist auf Social Media stark präsent und natürlich auf den Demos dabei.

Wer ihn noch nicht kennt, dem sei ans Herz gelegt, sich auch den Youtube – Kanal „hanfnah – natürlich legal“ einmal anzusehen, denn auch hier verschafft sich der sympathische Lockenkopf Gehör.

https://www.youtube.com/channel/UCK2p7lPRA-o8qVmZItjFXsw

Unvergessen ist auch sein, wenn auch nicht sehr erfolgreicher, aber dafür umso sympathischerer, Auftritt bei „Wer wird Millionär?“

So kam Günter Jauch endlich mal in den Genuss von leckeren Hanfplätzchen.

Wir freuen uns sehr, dass Tobias sich die Zeit genommen hat, uns ein paar Fragen zu beantworten.

Hanfverband Hamburg: Wie bist du zum ersten mal mit Cannabis in Berührung gekommen?

Tobias: Ich war ein ziemlich junger Schüler und viel mit Älteren unterwegs, mit 13 nach der Schule war der erste Konsum. Leider verdammt früh. Da nichts Schlimmes passierte, ist dieser Mythos „Droge“, der in der Erziehung und der Gesellschaft aufgebaut wurde, sofort verpufft. Das fand ich spannend. Leider…

Hanfverband Hamburg: Hat sich dein Konsum im Laufe der Jahre verändert?

Er stieg leider relativ schnell rasant an, ich war schon immer sehr impulsiv und es half mir, mindestens unbewusst, die Balance zu halten. Mit allen – für mich normalen – jugendlichen Eskapaden war ich mit mir immer sehr zufrieden. Ich verstand immer weniger, warum Cannabis verboten ist. Bis auf Abstinenzzeiten konsumiere ich inzwischen seit fast 20 Jahren regelmäßig. Leider rauche ich immer noch, dazu mit etwas Tabak. Unglücklicherweise die wohl ungesündeste Konsumform.

Hanfverband Hamburg: Hattest du in Bezug auf Cannabis schon Probleme mit dem Gesetz?

Tobias: Nein. Erst jetzt als Verkäufer von Nutzhanfblüten in meinen Shops. Verfahren startet bald. Es wurden über 4 Kilo beschlagnahmt mit einem Gesamt-THC-Gehalt von 4,5 Gramm. Alle gemessenen THC-Werte waren unter 0,2 % – im Schnitt 0,11 %, dennoch werde ich mit einer Mindeststrafe von einem Jahr angeklagt. Ein Witz. Leider kein guter…

Hanfverband Hamburg: Was hat dich dazu bewegt, aktiv zu werden?

Die Ungleichbewertung in der Gesellschaft war mir wie vielen anderen schon immer ein Dorn im Auge. Mein Gang in die Selbstständigkeit und das damit verbundene gesellschaftliche „Coming Out“ waren sicher der Türöffner. Vor wem sollte ich mich als Hanf-Fachhändler noch verstecken?

Doch so richtig Aktivist wurde ich dann erst im Laufe der Tage und Wochen in meinem ersten Laden. Ich erfuhr, dass ich mit meiner persönlichen Lebensgeschichte, die mir immer wieder aufzeigte, dass unsere Gesetzgebung und Moralvorstellungen schlicht falsch sind, noch ganz schön Glück hatte. Ich erfuhr jeden Tag, wie viele Menschen unter diesem Verbot leiden. In einer Vielzahl und Vielfalt, dass mich das abends noch beschäftigte.

Durch den aufkommenden CBD-Markt, wir haben seit Eröffnung im Oktober 2015 CBD-Produkte im Sortiment, wurden es neben strafrechtlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Problemen zunehmend gesundheitliche Leiden, die an mich herangetragen wurden.

Bei mir im Laden konnte man reden. Es gab Verständnis. Genau da herrschte in den letzten Jahrzehnten zunehmend ein Vakuum. Wenn man mit dieser vergleichsweise harmlosen Droge Probleme entwickelte, gab es keine Ansprechpartner. Keine Reflexion. Nur Angst, Stigma und Verstecken. So ein Quatsch. Natürlich bekommen Menschen Probleme durch Cannabis-Konsum, auch da habe ich leider viele Erfahrungen sammeln müssen, aber sollte man diese mit Strafen bedrohen? Mit gesellschaftlicher Ächtung? Oder sollte man Ihnen Hilfe anbieten? Oft macht nämlich genau die Angst vor der Strafe alles viel Schlimmer. Cannabis ist hauptsächlich psychisch gefährlich, der größte psychische Druck als Cannabiskonsument ist aber die Kriminalisierung.

Mein Vater hatte hohe Moralansprüche, ich bewundere ihn heute noch dafür. Aber er hat mangels Erfahrung auch Drogenkonsum geächtet. Denn der war illegal und mein Vater hielt sich treu an das Gesetz. Das war meine Zerrissenheit. Ich wollte ihm das nicht kaputtmachen als haschender Sohn. Ich bin sehr froh, dass ich ihn vor meiner Eröffnung überzeugen konnte, dass das nicht mehr zu kritisieren ist als unser ritualisierter Rum-Cola. Ich ärgere mich heute, dass ich mich nicht viel früher getraut habe. Denn alle Argumente waren doch auf meiner Seite. Nur war ich dazu noch nicht in der Lage, die zu präsentieren.

Aber ich hatte es geschafft. Er hatte mich nicht nur verstanden und akzeptiert, er war sogar zuversichtlich, dass ich mit meinem Einstieg in die Hanfszene eine gute Entscheidung getroffen hatte. 3 Tage nach Eröffnung verstarb er. Das war natürlich sehr hart und ist es heute noch. Dieses – Entschuldigung – Scheißverbot hat mich viele Momente und sogar Jahre mit ihm gekostet. Im Nachhinein bereue ich jede Sekunde, die ich mich nicht früher getraut habe.

Doch dann hörte ich jeden Tag, dass ich ein verdammter Glückspilz bin. Ich hörte jeden Tag schlimme Schicksale, die durch die Prohibition entstanden sind. Leider sind selbst die meisten dieser Menschen nicht bereit, darüber zu sprechen. Sonst kommt ja weitere Ächtung dazu. Aufarbeitung ist dann auch immer schwierig.

Mit Cannabis verbunden waren etliche entzweite Beziehungen, zerstörte Träume, kaputte Familienstrukturen, vernichtete Karrieren, wachsende Leiden bis hin zu eventuell vermeidbaren Todesfällen. Entstanden allerdings nicht durch den Konsum, sondern durch das Verbot, das Verstecken, das Verfolgen, das Bestrafen. Niemand profitiert von diesem Verbot. Niemand wird beschützt. Alle werden bestraft, durch unnötige Steuerausgaben, fehlende Steuereinnahmen und am Schlimmsten ist, dass wir 4 Millionen tolle Menschen aussperren. Die müssen sich in toleranten Kreisen bewegen, meist endet das dann in Kellerräumen oder verdunkelten Wohnzimmern.

Und je mehr Menschen ich kennenlerne, desto mehr werde ich zum Aktivisten. Ich sagte neulich in einem Bankgespräch, dass mir mein Geschäft momentan leider zweitrangig ist. Hier leiden unglaublich viele Menschen im Versteckten und niemand traut sich, seinen Mund aufzumachen. Für jeden dieser Menschen werde ich jeden Tag noch ein bisschen lauter, denn es muss jetzt endlich etwas passieren. Die beiden Banker haben glaube ich fast in die Tischkante gebissen, aber ich habe dennoch gespürt, dass sie mich auch ein wenig verstehen.

Hanfverband Hamburg: Auf welche Art engagierst du dich für die Legalisierung von Cannabis?

Tobias: Ich hielt auf dem Global Marijuana March in Freiburg 2016 meine erste öffentliche Rede. Zum ersten Mal ein Mikro in der Hand und dann stehen da 700 Menschen. Ich bin fast gestorben, aber ich merkte, dass diese gesamte Demo eine Menge bewegt hat.

Aktivismus lohnt sich. Nicht am nächsten Morgen, aber Stück für Stück. Wir können alle ein Stück dazu beitragen. Ich sagte mir früh, ich überzeuge jeden Tag einen Menschen – das gehört auch zum Shopkonzept, die „bösen Sachen“ findet man erst auf den zweiten Blick – irgendwann werden es genügend gewesen sein. Und das können wir alle tun. Wir alle haben Menschen in unserem Umfeld, die uns trotzdem noch mögen, wenn sie wüssten, dass wir Cannabis konsumieren. Einfach mal in ein Gespräch gehen und diskutieren. Es gibt so viele Ansätze. Die unnötigen Anklagen, Polizistenmangel und – Hass, den fehlenden Jugendschutz. Man kann so eine Diskussion auch mal anfangen, ohne sich gleich zu outen. Und dann kann man immer noch zurückziehen. Weniger Verstecken, es tut verdammt gut und befreit, das kann ich garantieren.

Anschließend gab es verschiedene Möglichkeiten, im Fernsehen oder Radio, aber auch in Printmedien, für die Sache einzustehen. Ich nutze jede davon, um mehr Menschen zu überzeugen. Sie sollen mir in die Augen sehen und mir sagen, dass ich ein schlechter Mensch bin. Dann wird es nämlich schwierig, wenn die anonymen Haschgiftler auf einmal Toby, Onkel Edmund oder Pfarrer Müller heißen. Du willst mir sagen, dass ich ein Krimineller bin? Warum denn? Wem tue ich denn etwas?

Gerade die Menschen, die am meisten Angst haben, sollten viel mutiger sein. Ihr steht mitten im Leben. Ihr seid mit Euch zufrieden und im Reinen. Wollt Ihr Euch ein Leben lang verstecken? Oder wollt Ihr einmal sagen: Ich kiffe – na und? Die Leute, die sich deswegen von Euch abkehren, die wollt Ihr doch nicht wirklich in Eurem Umfeld haben, oder? Kiffen ist nichts Tolles, aber auch nichts, wofür man sich schämen muss.

Ich bin in verschiedenen Verbänden aktiv und mache in den sozialen Medien viel Aufklärungsarbeit und schreibe auch Politiker ganz direkt an. Dies hat mir auch schon eine Einladung in den Bundestag beschert, wo ich direkt Argumente austauschen konnte.

Ich setze inzwischen mehr Zeit für das Aktivistenleben ein als für hanfnah. Das bringt zwar manchmal Probleme, aber ich kann nicht mehr anders.

Hanfverband Hamburg: Bist du Cannabis – Patient?

Ja, ich bin seit 2018 anerkannter Cannabis-Patient. Das hat dem ganzen ja nochmal eins drauf gesetzt. Früher konnte man da vor Stigmatisierung kaum drauf kommen, dass man nicht nur relativ wenig Schaden, sondern gar einen Nutzen aus dieser doch scheinbar bösen Pflanze zieht.

Hanfverband Hamburg: Wie hat Cannabis deine gesundheitliche Situation verbessert?

Tobias: Für mich war es ein Alltagsbegleiter. Es bereitete mir bei vernünftiger Dosierung noch nie große Einschränkungen, aber ich kam weniger emotional und dadurch sogar besser und motivierter durch den Alltag. Das ist sicher nicht bei jedem gegeben, für manche ist ein seltener Konsum vielleicht schon nicht mehr vernünftig, bei mir fand er fast durchgehend von morgens bis abends statt.

Im Nachhinein betrachtet hat es das aber schon immer auch bei meinen chronischen Krankheiten. Vor allem leide ich an Asthma und Neurodermitis und Cannabinoide haben bei Beidem ein großes Potenzial.

Vor meiner Eröffnung lernte ich auf einer Messe zum ersten Mal CBD-Kosmetik kennen. Man erklärte mir, dass CBD doppelt so entzündungshemmend sei wie Kortison. Da wurde ich sehr neugierig, da ich für meine Hautprobleme schon immer auf Kortison zurückgreifen musste.

Nachdem nicht nur ich, sondern auch meine damals noch hanfunerfahrene und absolut neutrale Mama komplett auf CBD umsteigen konnten, war mir zum ersten Mal der Zusammenhang so richtig bewusst. Ich wusste natürlich schon vorher von dem enormen Potenzial, aber bis vor einigen Jahren war das in Deutschland ja kaum Thema, somit auch irgendwie undenkbar und man wäre wohl eher ausgelacht worden, wenn man behauptet, das helfe gegen Asthma.

Wobei wir leider bis heute zahlreiche Situationen haben, in denen selbst schwer leidenden Patienten der Zugang zu dieser harmlosen Medizin be- oder verhindert wird und sie manchmal zudem noch ins Lächerliche oder Kriminelle gezogen werden. Es ist wirklich furchtbar.

Inzwischen kann ich auch mein Asthma damit gezielter behandeln, da man bei richtiger Anwendung die Bronchen toll weiten kann. So richtig habe ich das das erste Mal beim Dabben gemerkt. Wie jeder Anfänger viel zu heiß, 5 Minuten gehustet, aber dann spürte ich, wie ich immer besser atmen konnte. Das war faszinierend.

Ich wurde im Nachhinein fast 20 Jahre kriminalisiert, verfolgt und um meine Freiheit beraubt, obwohl ich nur meine chronischen Krankheiten heilte. Deutschland sollte sich schämen, denn auch damit hatte ich vergleichsweise noch Glück, es gibt so viele schlimme Schicksale, eigentlich sollte irgendjemand in der Verantwortung stehen, aber das Wegducken und Kleinmachen ist viel zu einfach.

Hanfverband Hamburg: Wie stehst du zu anderen Drogen und der Debatte um eine Entkriminalisierung dieser Substanzen?

Tobias: Grundsätzlich sollte eine Einordnung von Drogen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen. Es geht doch um Gefahrenpotenziale wie Abhängigkeitsrisiko und Körperschädigung.

Ich habe in den letzten Jahren der intensiven Auseinandersetzung auch meine eigene Doppelmoral vor Augen geführt bekommen. Nur weil es mich nicht berührt, heißt das nicht, dass ich nicht dennoch mal in die Theorie einsteigen sollte, wenn ich eine starke Meinung haben will.

Ich habe in jungen Jahren zu verschiedensten Drogen Kontakt gehabt, nie lange oder intensiv, war nicht meins. Und jetzt war es am Anfang für mich unglaublich, dass das in meiner Generation als harte Droge verteufelte MDMA (in Ecstasy) noch harmloser sein soll als „mein“ Cannabis.

Dabei entwickelte sich aber auch wieder ein größeres Verständnis für alle, die Cannabis skeptisch gegenüberstehen und einer Diskussion keine Chance geben. Warum soll ich mich damit beschäftigen, wenn es mich nichts angeht und die konservativ gesellschaftliche Meinung mir immer noch Recht gibt? Cannabis ist verboten und das ist auch gut so. Dem wird viel zu selten widersprochen von Nichtkonsumenten.

Letztes Jahr wurden mir dann endgültig die Augen geöffnet: Ich war auf einem Cannabis-Kongress in Lörrach, in einem Abschnitt wurden in kleineren Runden Einzelthemen vertieft. Ich schrieb mich bei einer Professorin ein zum Thema Cannabis und Strafrecht.

Die Professorin begann mit einer Zerlegung unserer Einordnung in harte und weiche Drogen. Diese sei absolut der falsche Ansatz, am Ende entstehen Probleme doch immer durch Konsummuster. Wenn, müssen wir also über harte und weiche Konsummuster reden. „Ist der Nachbarssohn, der in seiner Teenagerlaufbahn einmal ein Blech Heroin raucht, gefährdeter als der andere, der ab 12 Jahren jeden Tag 20 „Eimer“ Cannabis raucht?“

Wow, hat sie das gerade gesagt? Hat sie! Und verdammt, sie hat Recht. Heroin war für mich immer Teufelszeug, ich wusste genau, Disziplin und das Beherrschen meines Suchtzentrums waren noch nie meine großen Stärken, also werde ich da für immer, mein ganzes Leben, einen Bogen drum machen. Am Abend wurde mir klar, dass ich irgendwie ein wenig von oben herab auf die Heroinszene geblickt habe. Nur, weil ich aus Bequemlichkeit keine Lust hatte, mich da mal hineinzudenken. Was für eine Doppelmoral. Und wieder wurde mir klar, dass es nicht so einfach ist, Menschen zu überzeugen, die aus ihrer Sicht glücklicherweise keine Lust haben, mit Cannabis in Berührung zu kommen.

Inzwischen bin ich überzeugt, dass kein Verbot einen Sinn hat. Bei jeder Droge wird das Gefahrenpotenzial, egal wie hoch es ist, noch einmal deutlich erhöht. Dazu kommt die sinnlose Verfolgung, Stigmatisierung und gesellschaftliche Verdrängung, die denjenigen, die wirklich ein Problem entwickeln, die Möglichkeit auf Hilfe deutlich erschweren.

Es gibt Menschen, die entwickeln einen problematischen Konsum von Cola, andere von Cheeseburgern, wieder welche von Kakao oder Kaffee. Würde es denen helfen, wenn wir sie bestrafen?

Hanfverband Hamburg: Wie siehst du die Chancen, dass an der jetzigen Politik bald etwas geändert wird?

Tobias: Die sind so hoch wie nie zuvor. Aber das ruft auch wieder die überzeugten Gegner auf den Plan, es wird kein Selbstläufer. Und jeder Tag bedeutet neues Leid. Daher müssen wir alle kämpfen. Und wir müssen mutiger werden. Was haben wir zu verlieren? Leider manche doch einiges. Aber das wären am Ende doch wenige und wir hätten es bald geschafft. Jeder muss für sich entscheiden, ob es ihm dieses Risiko wert ist, ein Leben lang auf Freiheit und Gleichberechtigung zu verzichten – und zudem dennoch damit rechnen muss, aus Pech die selben Konsequenzen zu erleiden und die volle Härte des Gesetzes zu spüren.

Seid aktiv! Auf den Demos, die ich unterstützt habe, waren Polizisten, Lehrer, Beamte, Erzieher, Bankangestellte, Kaufleute, Kinder und Uromas. Niemand wurde hinterher geächtet oder hat seinen Job verloren.

JETZT ist die Zeit für alle Kiffer, aber auch für alle CBD-Nutzer, alle Patienten, alle Polizisten, Staatsanwälte und Richter, alle Angehörige derer und am Ende sogar allen Steuerzahlern, auf die Straße zu gehen und ein Zeichen zu setzen, dass endlich eine Entscheidung zum Wohle des Volkes und nicht zum Wohle irgendwelcher Lobbys oder Ängste getroffen wird.

Hanfverband Hamburg: Gab, oder gibt es Momente in deinem Aktivistenleben, wo du an deiner Überzeugung gezweifelt hast? Wenn ja, was motiviert dich weiterzumachen?

Tobias: Selbstverständlich. Es gibt immer wieder furchtbare Rückschläge. Und man muss kühl und sachlich bleiben. Bei diesen verheerenden Geschehnissen aber immer wieder schwer. Es werden einem Knüppel zwischen die Füße geworfen. Aber das alles kann man wegstecken.

Am Schlimmsten finde ich, wenn sich die Aktivistenszene wegen einzelner Egos immer wieder selber klein macht. Das ist eine schwierige Entwicklung, viele haben die Geduld schon verloren, andere sind so schwer getroffen, dass die Emotionen keinen sachlichen Austausch mehr zulassen.

Für all das muss man Verständnis haben. Wir alle haben unterschiedliche Lebenswege und Erfahrungen, vielleicht auch ganz konträre Ansätze. Und mit Sicherheit haben wir auch politisch ganz verschiedene Meinungen. Aber das auszudiskutieren bringt uns in dieser eh schon schwierigen Entwicklung nicht voran, im Gegenteil. Auch wenn wir anderer Meinung sind, müssen wir uns in dieser Szene gegenseitig unterstützen, im Ernstfall ignorieren, aber nicht auch noch klein oder gar schlecht machen.

Und natürlich ist man immer wieder auch frustriert und fühlt sich wie in einem Hamsterrad, denn es entwickelt sich viel zu langsam und dann kommen immer mal wieder Rückschläge. Das kostet verdammt viel Kraft und auch noch Geld. Wenn dann im Unternehmen oder Privatleben eine schwierige Phase kommt, fragt man sich schon, ob es das alles wert ist. Aber ich bin inzwischen so überzeugt und motiviert, dass das immer seltener vorkommt.

Hanfverband Hamburg: Hatte der Cannabis-Konsum – auch ob des gesellschaftlichen Stigmas – Auswirkungen auf Partnerschaften/Freundschaften ?

Tobias: Auf meine Familiengeschichte hauptsächlich, wie schon erwähnt. Da ich keine Lust hatte, mich vor meinen Eltern zu verstellen, aber auch nicht auf mein Cannabis verzichten wollte, gab es lange Zeit einen spärlichen Kontakt. Das ist im Nachhinein verdammt bitter, wenn man erfährt, wie schön es sein kann, auf einer Familienfeier voll akzeptiert einen Joint zu rauchen und wie viele dieser schönen Momente ich mit meiner Angst kaputt gemacht habe.

In Partnerschaften und Freundschaften bereitete es wenig Probleme, ich ging intoleranten Menschen da meist bewusst aus dem Weg.

Hanfverband Hamburg: Wie stehst du zum Umgang mit Cannabis im familiären Umfeld?

Tobias: Ich habe einen inzwischen sechsjährigen Sohn. Bis dahin war ich ein kiffender Sohn, der sich vor seinen Eltern versteckt hat. Dann wurde ich also ein kiffender Vater, der sich vor seinem Sohn versteckt. Erstmal einfach, aber er wird älter. Und ich habe mir nach meinem Outing geschworen, niemanden mehr deswegen anzulügen. Ich schäme mich doch nicht dafür. Ich strebe nicht an perfekt zu sein. Ich arbeite an Fehlern, möchte dazulernen, aber ich werde wohl immer auch Fehler akzeptieren müssen.

Ich machte mir viele Gedanken. Es kam dann mal vor, dass ich mangels Betreuung eine „Bongberatung“ geben musste, während ich ihn auf dem Arm hatte. Abends hat mich das extrem beschäftigt. Aber ich kam zu dem Schluss, dass es falsch ist, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich gehe regelmäßig mit ihm in den Supermarkt, gehe jedes Mal an der Spirituosenabteilung vorbei und habe da noch nie zuvor abends drüber nachgedacht. Auch so ein Moment, wo sich Verständnis für die gesellschaftliche Doppelmoral entwickelte. Selbst ich hatte sie noch in mir.

Ich habe meinem Sohn beigebracht, dass Süßigkeiten mal ok sind, aber in einem gesunden Maße. Er weiß auch schon, dass Fernsehen auch nicht die tollste Beschäftigung ist und man da Grenzen setzen sollte. Ich werde ihm erklären, da er irgendwann damit in Kontakt geraten wird, dass Alkohol gefährlich ist und man immer gut reflektieren muss, ob das alles noch in einem vernünftigen Rahmen abläuft. Wie bei jedem Konsum. Oder auch bei jeder Aktivität mit Gefahrenpotenzial. Bei allem kann ich nur hoffen, das klappt gut und bin überzeugt, das ist der richtige Weg. Offener Umgang und Dialog.

Soll ich jetzt wirklich davon ausgehen, es wäre taktisch klug, meinen Cannabiskonsum oder gar Cannabis allgemein vor ihm zu verstecken? Soll ich darauf zocken, dass er niemals damit in Berührung kommt und somit völlig unvorbereitet da hineingerät? Soll ich ihn wirklich für so blöd halten, meinen Konsum, der sicher nicht anstrebenswert ist für einen gesunden Menschen, vor ihm zu verstecken? Ich bin doch nicht Superman. Ich werde ihm hier und da auch erklären müssen, dass sein Papa auch mal Fehler macht und auch mal schwach ist. Auch wenn jeder Sohn wohl erst mal davon ausgeht, Papa ist eine Kreuzung aus Superman und einem T-Rex. Damit ich dann auch sicher sein kann, er lügt mich später ebenso an, wenn er vermeintlich einen Fehler macht? Ich versuche lieber, ihm als erfahrener Ansprechpartner zur Seite zu stehen und hoffe, er nimmt es dann an.

Die Alternative wäre eine eigene Abstinenz, aber wo fange ich damit an, wo höre ich auf? Ich liebe Schokopudding, manchmal esse ich den unkontrolliert, gerade in abstinenten Phasen (hatte in so einer mal 107 kg). Darf ich ihm das vorleben oder eher nicht? Darf ich ihm vorleben, 3 Stunden am Tag am Handy zu verbringen oder sollte ich da auch lieber Abstinenz anstreben? Ich setze auf das Beibringen von Vernunft.

Jeder muss mich wohl akzeptieren, wie ich bin, auch mein Sohn und ich bin guter Dinge, dass das immer so sein wird.

Hanfverband Hamburg: Ab welchem Alter würdest du das Thema mit deinen Kindern besprechen und wie?

Tobias: Wie eben erwähnt wie bei jeder anderen Sache mit Gefahrenpotenzial auch. Der Zeitpunkt ist dabei nicht vorherbestimmt, wenn es sich nicht ergibt, wohl spätestens im Teenageralter, eher ein wenig früher. Kommt wohl auch auf die Entwicklung an.

Mit 2 Jahren im Schwimmbad pflückte er ein fünffingeriges Blatt und rief laut zu mir rüber: „Schau mal Papa, ein Hampfblatt“. Krasses Gefühl, wenn das alle drumherum hören. So gerne man als Eltern sein Kind vor allen Gefahren beschützen möchte, man muss sie auch auf Eigenständigkeit vorbereiten, Verstecken wird wohl kaum jemanden schützen

Hanfverband Hamburg: Welche Altersgrenze für die Abgabe von Cannabis findest du sinnvoll?

Tobias: Ab 18 Jahren sollte das auf jeden Fall gehen. Das ist bei uns die Grenze zur Volljährigkeit und Eigenständigkeit. Vielleicht ist das Gefahrenpotenzial auch noch später gegeben, aber ab dann sollte man das einschätzen können.

Ich fände es eigentlich total naheliegend, dass man mit THC-Grenzwerten auch verschiedene Altersstufen installieren könnte. Ich glaube, es wäre auch gut, ähnlich wie beim Alkohol eine niedrige Grenze ab 16 zu installieren. Und da es beim THC auch so große Unterschiede gibt, könnte man auch weitere Grenzen einführen und erst ab 21 oder 25 ganz frei konsumieren. Das würde sicher nicht allen Schaden abwenden, aber vielleicht, wenn die aktuelle Forschung bestätigt wird, eben doch die Entwicklung vieler junger Menschen weniger einschränken. Aber den Masterweg wird es da wohl nicht geben, alle Probleme bekommt man nie aus der Welt. Ebenso wenig wie man die Drogen aus der Welt bekommt.

Hanfverband Hamburg: Wie stellst du dir die Legalisierung vor, bzw. wie wünschst du sie dir?

Tobias: Ich denke, wichtig ist Aufklärung. Daher wäre ein Vertrieb in Geschäften mit ausgebildetem Personal ganz geeignet. Dort findet vielleicht auch eine Erstaufklärung statt, bevor man zum Kauf berechtigt wäre und man hätte auch schon Ansprechpartner, wenn man doch spürt, dass sich ein Problem entwickeln könnte. Grenzen sollte es nicht geben, dafür ist das Empfinden viel zu unterschiedlich. Lieber diskrete Hilfsangebote.

Vor allem das Wichtigste ist aber wohl ehrliche und sachliche Aufklärung bei Jugendlichen. Wir machen uns so unglaubwürdig als Gesellschaft, wenn wir dieses Stigma aufrechterhalten. Genau das hat mir auch jeden Glauben an gut gemeinte Warnungen geraubt.

Hanfverband Hamburg: Hast du eine Lieblingsgenetik/Sorte? Warum?

Tobias: Früher als Grower war ein Highlight auf jeden Fall die ursprüngliche „SensiStar“. Die hatte ein einzigartiges (gefährliches) Aroma und war trotz geringer Ausbeute sehr ergiebig in der Wirkung. Zu der Zeit strebte ich hohe THC-Gehalte an, in dem Glauben, dass das für mich effizienter sei.

Nun als Patient und mit dem Wissen, dass auch CBD einen großen Vorteil für mich bringt, ist die Sorte Penelope mein absoluter Favorit. Und die wäre für mich früher gefühlt auch nicht weniger spaßig gewesen als THC – Bomben. THC ist nicht alles, wobei mir CBD alleine definitiv nicht reicht.

Hanfverband Hamburg: Viele Leute haben Bedenken, sich aktiv für die Legalisierung zu engagieren, weil sie fürchten, Probleme im Job, usw. zu bekommen. Was würdest du diesen Leuten sagen, bzw. welche Tipps würdest du ihnen geben, damit sie trotzdem aktiv werden?

Tobias: Im Job ist das natürlich immer schwer abzuschätzen. Aber auch die Angst ist völlig übertrieben. Erinnert Euch an die letzte Weihnachtsfeier oder Ähnliches. Glaubt Ihr, dass Ihr, wenn Ihr gute Arbeit macht, entlassen werdet, nur weil Ihr kifft?

Und außerdem gibt es als Nichtkonsument genauso viele Gründe, sich aktiv einzusetzen. Wir zahlen alle mit für diesen Quatsch, jeder hat jemand in der Familie, der unnötig kriminalisiert wird, wenn nicht, in seinem Umfeld. Inzwischen trifft das sogar immer mehr kranke Menschen. Sollte man zum Beispiel nach dem Besuch einer Demo darauf angesprochen werden, was man da mache, würde ich antworten, warum derjenige nicht da war. Schließlich sollte wirklich jeder, der sich neutral über die Sache informiert, schnell zu dem Entschluss kommen, dass sich schnell etwas ändern muss.

Ich erlebe hier kranke Menschen, das geht hin bis zu solchen – die vor dem Verschreiben von Cannabis lieber noch verschiedenste Medikamente nehmen und eine Kortisonkur machen mussten und mit Selbstmordgedanken vor mir standen. Warum soll man leidenden Menschen den Zugang verweigern? Es gibt hundert Gründe für eine Regulierung und keine dagegen. Alle dagegen hören sich meist gut an, sobald man aber in die Tiefe geht und über Konsequenzen nachdenkt, sind sie nutzlos oder bewirken sogar das Gegenteil wie beim Jugendschutz.

Hanfverband Hamburg: Wenn Cannabis legal wäre, würdest du lieber anbauen oder in einem Shop einkaufen gehen?

Tobias: Ich würde mir das lieber selber anpflanzen. Allerdings bin ich momentan in einer so ausgelasteten Phase, dass ich dafür vielleicht gar nicht so wirklich Zeit hätte und doch auf ein Angebot zurückgreifen würde. Wenn es geprüfte Qualität und Deklarierung gibt, spricht ja auch nicht mehr so viel dagegen. Die Regierung hat ja Angst, Anbau zuzulassen, aber das ist Quatsch, es wird dennoch ein Markt wachsen. Ich würde mir auch gerne mehr Gemüse pflanzen, aber die Zeit fehlt, ich hole das auf dem oder im Markt. Oder besuche auch mal ein Restaurant. Auch der Eigenanbau wird neue Möglichkeiten bieten. Servicegärtner wäre doch ein cooler Berufszweig, oder?

Hanfverband Hamburg: Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, (Vielleicht gerade Jugendlichen) wenn er/sie zum ersten mal Cannabis konsumieren möchte?

Tobias: Das Wichtigste ist, dass demjenigen klar ist, dass Cannabis nichts Cooles oder gar Anstrebenswertes ist. Wenn er/sie dennoch Lust hat, das zu konsumieren, sollte das in einem Umfeld stattfinden, indem man sich wohl fühlt. In dem man sich nicht schämen würde, zuzugeben, dass es einem nicht gut tut.

Menschen reagieren unglaublich unterschiedlich auf Cannabis und es ist kein Makel, wenn man nicht „mithalten“ kann. Eher wünschenswert. Und egal zu welchem Zeitpunkt. Immer reflektieren, „Tut mir das gut? Habe ich etwas davon, was ich mir versprochen habe?“

Macht Pausen und informiert Euch auch in der Theorie über die Substanz, die möglichen Gefahren und Suchtanzeichen. Denn, wenn man da von Anfang an überlegter ran geht, ist die Gefahr schon deutlich kleiner. Und redet mit Euren Eltern, wenn ihr nicht absolut hoffnungslos seid. Solltet ihr warum auch immer doch mal Probleme haben, sind die doch oft ein toller Anker. Und lieber haben sie schon vorher Verständnis als von der Situation überrascht zu werden. (Habe ich es Dir doch gesagt)

Hanfverband Hamburg: Hast du zum Abschluss noch eine lustige, oder spannende Cannabis – Anekdote?

Tobias: Hunderte, tausende. Mein Leben ist eine Cannabis-Anekdote. Wenn sie mich echt verknacken, schreibe ich ein Buch! Welche Theorie in letzter Zeit immer ein Lacher ist, aber auch zum Nachdenken anregt:

Mir haben in den letzten Jahren viele Menschen offenbart, dass sie ihren Konsum vor Ihrem Partner verheimlichen. Dazu habe ich das auch in meinem Umfeld schon so oft mitbekommen, dass ich absolut überzeugt bin, dass es Partnerschaften gibt, in denen beide Cannabis konsumieren, sich die Partner aber gegenseitig anlügen, sich verstecken und den Schein wahren.

Irgendwie lustig, aber eigentlich traurig und unnötig. Dasselbe bei Eltern-Kind-Beziehungen. Ich kenne kiffende Unternehmer, die kiffende Angestellte feuern mussten, um gesellschaftlich das Richtige zu tun. Ihr seid keine schlechten Menschen. Steht dazu!

Tobias, wir bedanken uns recht herzlich, dass du dir für dieses Interview Zeit genommen hast, und drücken dir alle Finger, Daumen und Zehen, dass bei deinem Prozess alles gut geht und am Ende die Vernunft siegt!